Das Ende von Gendermarketing? (2/3)

Im ersten Teil haben wir uns damit beschäftigt, welche Rolle Gendermarketing gespielt hat. Ja, ihr habt richtig gelesen: Vergangenheitsform. Denn wenn man der Analyse vom Zukunftsinstitut glauben darf, könnte es damit früher oder später vorbei sein. »Schuld« daran trägt der Megatrend Gendershift.
Was hat es mit dem Megatrend Gendershift auf sich?
Was ist eigentlich ein Megatrend? Dafür gibt es klare Kriterien: Megatrends sind globale, vielschichtige und mehrdimensionale Trends. Sie haben eine Dauer von mindestens mehreren Jahrzehnten und zeigen Auswirkungen in allen gesellschaftlichen Bereichen, in der Ökonomie, im Konsum, im Wertewandel, im Zusammenleben der Menschen, in den Medien, im politischen System etc.

Der Megatrend Gendershift wird vom Zukunftsinstitut wie folgt beschrieben: »Die tradierten sozialen Rollen, die Männern und Frauen in der Gesellschaft zugeschrieben werden, verlieren an gesellschaftlicher Verbindlichkeit. Das Geschlecht verliert seine schicksalhafte Bedeutung und bestimmt weniger über den Verlauf individueller Biografien. Veränderte Rollenmuster und aufbrechende Geschlechterstereotype sorgen für einen radikalen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft hin zu einer neuen Kultur des Pluralismus.«
Daraus schließt das Zukunftsinstitut vier Thesen für die Zukunft:
- Geschlechterrollen verlieren ihre soziale Relevanz und traditionelle Familienstrukturen ändern sich. Mütter machen häufiger Karriere und Väter passen auf die Kinder auf.
- Diversität wird Normalität, d.h. mehr Frauen in Führungspositionen und „toxische Männlichkeit“ wird an Akzeptanz verlieren.
- Gender Awareness wird zum obersten Gebot, Vorurteile und Biases abgeschafft.
- Identitäten definieren sich jenseits von Geschlecht. Gender-Based Marketing wird nicht mehr funktionieren und genderspezifische Produkte und Ansprachen können zur Falle werden.
Die Entwicklung der letzten Jahre
In der Tat lassen sich in den letzten Jahren bereits einige Veränderungen beobachten, und das nicht ohne Grund. Verschiedene Studien legen zum Beispiel nahe, dass Gendermarketing nicht unbedingt einen guten Einfluss auf Kinder hat.
Unsere Gesellschaft ist zunehmend sensibilisierter, was Gender-Klischees angeht. Das bekommen auch die Unternehmen zu spüren. So ist Kaufland in der Vergangenheit mehrmals in die Kritik geraden und dm erhielt einen Negativpreis für das schlimmste Gendermarketing 2021. Auch nicht-binäre und trans Menschen werden immer sichtbarer in der Gesellschaft und erwarten (zurecht) in der Werbung berücksichtigt zu werden.
Unternehmen reagieren vermehrt auf diese Entwicklung. So hat beispielsweise die Designerin Stella McCartney in 2020 eine unisex Kollektion auf den Markt gebracht, ASOS die Marke COLLUTION und die amerikanische Kaufhauskette Target verkauft geschlechtsneutrales Spielzeug. Ein weiteres Beispiel ist ein Werbespot von Nike mit dem trans Athleten Chris Mosier. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Gerade im Bereich Mode hat sich die letzten Jahre viel getan.

Corporate Social Responsibility und Femvertising
Konsumenten erwarten von Unternehmen zunehmen, dass sie soziale Probleme ansprechen. Das hat auch eine Studie von Cone Communicatons von 2017 ergeben1. Hier spricht man auch von corporate social resposibility (CSR), also dass Unternehmen soziale Verantwortung übernehmen. Die Studie kam darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass 87% ein Produkt kaufen würden, weil das Unternehmen sich für ein Thema einsetzt, das ihnen wichtig ist, und 76% ein Produkt nicht kaufen würden, wenn das Unternehmen gegen ihre Überzeugungen handelt.
Bei diesen Entwicklungen überrascht es nicht, dass immer mehr Unternehmen CSR auch in ihrer Werbung nutzen, um Konsumenten zu überzeugen. Dabei spielt auch Female Empowerment eine starke Rolle. 2014 wurde von SHE Media der Begriff “Femvertising” geprägt. Dabei handelt es sich um Werbung, die auf Gleichberechtigung der Geschlechter und vor allem die Stärkung der Frauen setzt2. Auch hier sprechen Studien dafür, dass typische Stereotypen von Männern und Frauen in der Werbung zunehmend schlechter aufgenommen werden und raten zu mehr Geschlechtergleichheit3.
Das klingt erst einmal prima. Mehr Gleichberechtigung für alle! Doch wie so oft besteht die Gefahr, dass ein Trend für die eigenen Interessen ausgenutzt wird. Laut einer recht aktuellen Studie aus den USA haben Unternehmen, die Femvertising Preise erhalten haben, abseits ihrer Werbeoffensive nicht mehr für Gleichberechtigung getan, als andere Unternehmen2. Echte Überzeugung schaut anders aus.
Fassen wir das Ganze noch mal zusammen: Konsumenten erwarten zunehmend von Unternehmen, dass sie soziale Verantwortung übernehmen, wobei auch die Gleichberechtigung der Geschlechter eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Unternehmen reagieren darauf mit ihrer Werbung und (vor allem in der Mode) mit ihren Produkten. In den vergangenen Jahren ist schon viel passiert. Wie der Trend weitergehen könnte, schauen wir uns im dritten und letzten Teil ein
Weiterführende Quellen
Alle Online-Quellen dieses Beitrags sind im Text verlinkt. Weiterführende Studien und Seiten zum Weiterlesen gibt es hier: www.zukunftsinstitut.de
1 Cone Communication (2017): “CSR Study”, https://conecomm.com/2017-csr-study
2 Sterbenk, Y., Sara Champlin, S., Windels, K., Shelton, S. (2021): “Is Femvertising the New Greenwashing? Examining Corporate Commitment to Gender Equality” in Journal of Business Ethics (2022) 177:491–505
3 Åkestam, N., Rosengren, S., & Dahlen, M. (2017). "Advertising 'like a girl': Toward a better understanding of “femvertising” and its effect. " in Psychology & Marketing, 34, 795–806
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